von Cameron Cole

In den letzten Jahren haben sowohl konservative und progressive Christen als auch die säkulare Welt die »Purity Culture« (Kultur der Reinheit) einer kritischen Prüfung unterzogen. Viele der Kritikpunkte sind berechtigt, aber der Weggang des »Purity Movements« (Reinheitsbewegung) hat auch eine Lücke in den Bemühungen vieler Kirchen hinterlassen, Jugendlichen Sexualmoral zu vermitteln.

Eltern und Kirchen denken darüber nach, wie sie ihre Kinder in eine gesunde, biblische Richtung führen können. Mittlerweile sind hier sechs Lektionen, die wir im Lichte des Purity Movements lernen können und die uns helfen werden, unsere Jugendlichen in den kommenden Generationen weise über Sex zu lehren:

1. Benutze positive Worte, wenn du über Sex sprichst.

Angst war meist der treibende Faktor der Purity Culture, deshalb brauchten viele Kirchen fast ausschliesslich negative Begriffe, wenn sie über Sex sprachen. Sie betonten die gefährlichen Konsequenzen und den potentiellen Schmerz von sexueller Sünde. Infolgedessen wurde Sex in der Jugendarbeit oft als etwas Schmutziges, Schlechtes und Beschämendes dargestellt.

Die Bibel spricht klipp und klar über einige der Folgen von sexueller Sünde, aber sie spricht auch in positiver Weise über Sex. Im Schöpfungsbericht im ersten Buch Mose steht, wie Gott Sex aus seiner Güte heraus geschaffen hat. Im Hohelied verwendet Salomo poetische, wunderschöne Sprache, wenn er Sex beschreibt. Sex ist ein Geschenk Gottes. Er hat ihn geschaffen und entworfen. Auf biologischer Ebene nutzt er Sex, um neues Leben in die Welt zu bringen. Sex ist gut.

In unserer Kinder- und Jugendarbeit gibt es eine Regel: Wenn wir über Sex sprechen, sagen wir als Erstes, dass Sex ein gutes Geschenk von Gott ist. Wir sagen sogar, dass wir wollen, dass unsere Jugendlichen Sex so gut wie möglich innerhalb der Grenzen von Gottes Gesetz und Absicht genießen, weil es ein Segen ist, den Gott uns gegeben hat.

2. Konzentriere dich nicht auf Jungfräulichkeit.

Der Schwerpunkt der Purity Culture lag im Allgemeinen darauf, sicherzustellen, dass Jugendliche vor der Ehe keinen Geschlechtsverkehr hatten. Das Ziel war es, die Ehe zu erreichen, ohne diese Grenze zu überschreiten.

In unserer Kinder- und Jugendarbeit gibt es eine Regel: Wenn wir jemals über Sex sprechen, sagen wir als Erstes, dass Sex ein gutes Geschenk von Gott ist.

Dies führte zu einer Reihe von Problemen. Erstens: Wenn deine Jugendlichen schon Geschlechtsverkehr hatten, dann haben sie den Test nicht bestanden. Es gab keinen Grund mehr, enthaltsam zu leben, weil der Schwerpunkt so sehr darauf lag, keinen Geschlechtsverkehr zu haben. In der Zwischenzeit wurde viel »technische Jungfräulichkeit« praktiziert. Jugendliche hatten Oralsex und »alles außer Geschlechtsverkehr«, weil die Botschaft, die sie hörten, sich so sehr auf diese eine Erscheinungsform der sexuellen Sünde konzentrierte.

Porneia, das altgriechische Wort im Neuen Testament, das oft als »Unzucht« oder »sexuelle Sünde« übersetzt wird, umfasst eine Vielzahl von sündigen Verhaltensweisen. Außerdem lehrt Jesus in Matthäus 5, dass jede Begierde im Herzen einem Ehebruch gleichkommt. In den Evangelien spricht Christus von der sexuellen Sünde im weitesten Sinne, ohne sich ausschließlich auf den Geschlechtsverkehr zu konzentrieren.

Wir versuchen, unsere Jugendlichen zu einer gesunden Sexualität innerhalb der gesegneten Grenzen von Gottes Gesetz zu führen. Das bedeutet Wahrheit, Gehorsam und Buße in allen Bereichen, ohne eine bestimmte Sünde zu betonen – oder andere auszuschließen.

3. Hör auf, das Wort ›Reinheit‹ zu benutzen

Ein Rooted-Workshop unter der Leitung von Mark Howard im Jahr 2014 hat mich davon überzeugt, dass wir auf die Sprache der Reinheit verzichten sollten, wenn wir über Sex sprechen. Howard nennt eine Reihe von überzeugenden Gründen dafür. Ich würde zwei vorschlagen:

Erstens: Damit etwas rein sein kann, muss es perfekt sein. Wenn es irgendeine Unvollkommenheit oder einen Makel gibt, verliert eine Substanz oder ein Konzept seine Reinheit.

Denk mal drüber nach: Die meisten Menschen begehen täglich sexuelle Sünden, sei es im Herzen, im Geist oder im Körper. Infolgedessen verlieren wir den Status der Reinheit täglich, wenn nicht sogar stündlich. »Reinheit« zum Standard zu machen, ist aus folgendem Grund äußerst unklug: Es verleitet Jugendliche zu einem »Alles-oder-Nichts-Denken«, was in einem so fehleranfälligen Lebensbereich von vornherein ein aussichtsloser Kampf ist.

Wir verlieren den Status der sexuellen Reinheit täglich, wenn nicht sogar stündlich.

Zweitens führt das Reden über Sex im Sinne von Reinheit automatisch zu einer schambesetzten Dynamik in einem Bereich, der ohnehin schon ein hohes Scham-Potenzial hat. Scham entsteht meist dann, wenn es nur zwei Alternativen gibt: Perfektion oder Versagen. Und sensible Teenager werden zur Verzweiflung getrieben, weil sie sich schämen, ohne das Heilmittel gegen Scham zu verstehen – das reinigende Blut Christi. Angesichts der »Alles-oder-Nichts«-Konnotationen der »Reinheitssprache« können wir schnell eine beschämende Dynamik erzeugen, wenn wir diese Begriffe verwenden.

Reinheit kommt nur von einem Ort, dem Blut des Lammes, nicht von unserem Verhalten. Unsere Reinheit kommt durch die uns zugerechnete Gerechtigkeit Jesu, die Gott uns aus Gnade durch den Glauben schenkt. Über Sexualethik im Sinne von Sünde und Gehorsam zu sprechen – unter Verwendung von Begriffen wie »Heiligkeit« oder »Frömmigkeit« – ist besser als über »Reinheit« zu reden.

Opfer und Sühne-Verständnis der Bibel erklärt

4. Lehre konsequent, was die Bibel über Sexualethik sagt.

Eine positive Sache, die das Purity Movement erreicht hat, war es, Jugendliche über die Ethik der Sexualität in der Bibel aufzuklären. Ich glaube viele von uns wären überrascht, wie ungebildet viele junge Kirchgänger darüber sind, was die Bibel und die biblische Theologie über vorehelichen Sex, Pornografie und eheähnlichem Zusammenleben sagen.

Heute propagiert die säkulare Kultur eine Sexualethik, die in vielen Fällen dem Moralkodex der Bibel widerspricht. Außerdem können wir kaum einen Fastfood-Werbespot sehen, ohne dass unseren Kindern diese Werte um die Ohren gehauen werden. Deshalb müssen wir Jugendliche über biblische Moral aufklären.

Kirchen, die zu Recht viele der Probleme mit dem Purity Movement ablehnen, müssen sich davor in Acht nehmen, überhaupt keine Sexualethik zu lehren. In jeder Generation brauchen Teenager ein solides und befreiendes Verständnis dessen, was Gott über Sex sagt.

5. Rechne mit Misserfolgen und bereite die Jugendlichen darauf vor.

Die Kultur der Reinheit kämpfte mit Verleugnung. Sie wollte nicht zugeben oder anerkennen, dass Jugendliche in erheblichem Maße sexuell sündigen werden. Deshalb bot sie auch keine Hilfe oder Hoffnung, wenn Jugendliche dann tatsächlich scheiterten.

Stattdessen müssen wir unseren Jugendlichen immer wieder sagen: »Hey Leute, wir hoffen, dass ihr sexuelle Sünde so weit wie möglich vermeidet und durch Gottes Gnade von größeren Fehlern verschont bleibt. Aber die Realität sieht so aus, dass ihr vielleicht drastischere Fehler macht, als ihr erwartet. Doch es gibt eine gute Nachricht: Gottes Gnade wartet auf dich, wenn du versagst. Und wenn du versagst, komm und sprich mit einem christlichen Erwachsenen, dem du vertraust. Auch wir haben viele Fehler gemacht, und wir werden euch gegenüber liebevoll, verständnisvoll und gnädig sein.«

Wir ermutigen die Jugendlichen zum Gehorsam, wollen sie aber auch darauf vorbereiten, wie sie mit ihrem Versagen umgehen können.

6. Betone den Stellenwert von Christus und dem Heiligen Geist.

Vielleicht liegt der fatale Fehler der Purity Culture in ihrer Betonung der menschlichen Leistung. Reinheitsgelübde und -Ringe vermitteln oft: »Ich kann rein bleiben! Ich werde rein bleiben! Ich bin fest entschlossen!«

Niemand würde leugnen, dass es Anstrengung und Hingabe erfordert, dem Gesetz Gottes in sexuellen Angelegenheiten zu gehorchen. Um treu zu bleiben, brauchen die Menschen Grenzen und Sicherheit.

Zum Beispiel brauchen viele (wenn nicht alle) Menschen Filter und Accountability-Software auf ihren technischen Geräten, um sich vor pornografischen Inhalten zu schützen. Einige Paare, die verlobt sind oder sich in einer Beziehung befinden, brauchen bestimmte Grenzen, wo und wie lange sie Zeit miteinander verbringen. Die Menschen brauchen unterstützende Rechenschaftsbeziehungen, in denen sie anderen Gläubigen ihre Versuchungen und Sünden bekennen. Die Bibel beschreibt die Versuchung der sexuellen Sünde als so stark, dass wir ihr nicht nur widerstehen, sondern bewusst Schritte unternehmen, um uns von ihr zu entfernen (1.Korinther 6,18).

Wir müssen unsere Teenager aber auch daran erinnern, dass man in großen Schwierigkeiten steckt, wenn man diesen Kampf allein, ohne die Kraft Gottes, bestreitet.

Um der sexuellen Versuchung zu widerstehen, müssen wir uns selbst täglich Gott unterordnen. Es ist eine tägliche, verzweifelte Abhängigkeit von der Kraft des Heiligen Geistes. Es ist ein häufiges Hinwenden zum Evangelium und ein Erinnern an die bedingungslose Liebe Gottes, wenn wir kämpfen und versagen.

Der Schwerpunkt der biblischen Sexualethik muss auf dem Sieg Christi am Kreuz und der Gegenwart des Heiligen Geistes in unseren Herzen liegen. Die Macht und Gnade Gottes ist jeder menschlichen Anstrengung überlegen. Und letztlich ist es das, was wir alle verzweifelt brauchen.

Wir müssen unsere Teenager daran erinnern, dass man in großen Schwierigkeiten steckt, wenn man diesen Kampf mit der Versuchung allein, ohne die Kraft Gottes, bestreitet.
Dieser Artikel wurde von Cameron Cole verfasst und zuerst von The Gospel Coalition (TGC) veröffentlicht. Deutsche Version von Olivia Felber. Verwendet mit Genehmigung von The Gospel Coalition.

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