»Wann ist mein Kind reif für ein Smartphone?« -
»Sobald Sie denken, dass es okay ist, wenn Ihr Kind Pornos schaut.«

So antwortete ein Lehrer den überraschten Eltern, die wohl eher die üblichen medienpädagogischen Ratschläge erwartet hatten.

Die Antwort des Lehrers auf diese Frage führt direkt zu einem Thema, das uns alle angeht: der ungewollte Kontakt mit Pornografie im Internet. Mehr als die Hälfte aller Kinder zwischen elf und dreizehn Jahren ist bereits damit in Berührung gekommen. Diese harte Realität, die durch den mangelnden Schutz in der digitalen Schulwelt noch verschärft wird, macht deutlich: Wir müssen reden – offen und ehrlich – über den Einfluss von Pornografie auf die Entwicklung unserer Kinder und Jugendlichen.

Heute stelle ich euch Tabea Freitag vor. Sie ist Diplom-Psychologin und Psychotherapeutin in eigener Praxis und hat 2008 gemeinsam mit ihrem Mann Eberhard Freitag »return – Fachstelle Mediensucht und -erziehung« gegründet. Sie leistet wertvolle Präventionsarbeit an Schulen und unterstützt Menschen durch Beratung, Prävention und Fortbildung.

»Kinder kommen im Durchschnitt mit etwa elf Jahren zum ersten Mal mit Pornografie in Kontakt, oft weil sie schon ein eigenes Smartphone haben, und werden mit ihren Erfahrungen im Netz in der Regel allein gelassen«, sagt Tabea in einem Interview mit der Deutschen Welle und kritisiert: »Wir haben einen riesigen, aber tabuisierten Missbrauchsskandal in der Gesellschaft, denn Kinder mit Pornografie zu konfrontieren, ist eine Form des sexuellen Missbrauchs. Es beeinflusst ihre psychosoziale und sexuelle Entwicklung massiv.«

Ja, es ist erschreckend, wie früh solche Inhalte das Bild von Sexualität und Beziehungen verzerren können. Aber wir sind nicht hilflos. Lasst uns gemeinsam ein starkes Bewusstsein schaffen, um unsere uns anvertrauten jungen Menschen zu schützen und einen gesunden Umgang mit digitalen Medien zu leben.

Liebe Grüße
— Andy und das MRJ Team

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»Wann ist mein Kind reif für ein Smartphone?« - »Sobald Sie denken, dass es okay ist, wenn Ihr Kind Pornos schaut.« So antwortete ein Lehrer den überraschten Eltern, die wohl eher mit den üblichen Medienkompetenz-Tipps gerechnet hatten.

Längst prägen Porno-Videos die Fantasien, Gedanken sowie das Frauen- und Männerbild von Kindern und Jugendlichen und ihre Beziehungs- und Liebesfähigkeit. Vor allem überschreiten die schamverletzenden, zutiefst verstörenden Bilder massiv ihre Grenzen. Darum sind die Beeinflussung und Konfrontation von Kindern mit Pornografie eine Form sexuellen Missbrauchs (§ 176 a Strafgesetzbuch). Und Missbrauch lebt auch hier vom Wegschauen, Schweigen oder Verharmlosen durch Erwachsene – auf allen Ebenen in Politik, Schule, Kirche und in vielen Familien.

Unethischer Menschenversuch

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Mehr als die Hälfte der elf- bis dreizehnjährigen Kinder haben bereits pornografische Bilder oder Filme gesehen (British Board of Film Classification, 2019). Sie werden im Internet, vielfach auch über Soziale Medien wie Instagram, TikTok oder im Klassenchat damit konfrontiert.

Die ungebremste Digitalisierung der Schule, vielfach ohne ausreichenden Filterschutz der Tablets, verschärft das Problem. Jedes Zugänglichmachen von Pornos an unter 18-Jährige ist gesetzlich verboten (§ 184 StGB). Doch 2017 konsumierten mehr als 70% der männlichen Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren täglich bis mehrmals wöchentlich Pornografie (WDR Quarks-Studie), 20% sogar täglich. Auch Mädchen sind zunehmend betroffen. Der Direktor des Instituts für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin der Charité Berlin, Prof. Klaus M. Beier, sprach schon 2010 von einem großen unethischen Menschenversuch.

Jedes Jahr zählt

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Ein Untersuchungsbericht von Januar 2023 für die britische Regierung kam zu dem Ergebnis, dass Pornos eine Schlüsselrolle bei der Normalisierung und Duldung sexueller Gewalt an Mädchen spielen. Zudem kam heraus, dass die Videos umso gefährlicher sind, je früher die Kinder sie sehen. Jedes Jahr zählt, in dem Kinder vor Porno-Einflüssen bewahrt bleiben. 49% der Teenager, die beim Erstkontakt mit Pornografie noch keine elf Jahre alt waren, suchten später aktiv nach Gewaltpornografie zur eigenen Befriedigung im Vergleich zu 30% derer, die erst mit zwölf Jahren darauf stießen.

Die repräsentative Befragung in Großbritannien zeigte auch, in welchem Ausmaß Pornografie tatsächlich Erwartungen und Verhalten in realen sexuellen Beziehungen prägt. Demnach glauben viele Jugendliche, Gewalt beim Sex gehöre dazu: 47% der befragten 16- bis 21-Jährigen waren der Auffassung, dass Mädchen Gewalt beim Geschlechtsverkehr – etwa Schläge oder Würgen – erwarten würden. Dies entspricht den heute vorherrschenden pornografischen Drehbüchern und dringt in reale Beziehungen ein: Bei den über 18-Jährigen hatte fast die Hälfte schon einmal Gewalt beim Sex erlebt.

Warum mehr junge Männer ins Bordell gehen

Mit den Folgen eines frühen und häufigen Pornografiekonsums werde ich auch in der Beratung von Betroffenen und Angehörigen tagtäglich konfrontiert, insbesondere einer Abhängigkeitsentwicklung und massiven Beziehungsstörungen. Wie tiefgreifend menschliche Werte wie Empathie, Rücksichtnahme, Liebes- und Bindungsfähigkeit, Respekt vor der Würde und Unverfügbarkeit des anderen zur Disposition stehen, spiegeln auch unsere Erfahrungen in der Prävention wider: »Wir schauen Pornos, um zu wissen, was die Jungs von uns erwarten«, sagen manche Schülerinnen. Den Mädchen ist bewusst, dass fast alle Jungen Pornos schauen und das ihre Erwartungen prägt. Ihr Unbehagen angesichts der frauenverachtenden, brutalen Praktiken der Mainstream-Pornografie beantworten manche mit Hass auf den eigenen Körper, auf ihr Mädchensein, andere geraten selbst in den Sog des Pornokonsums oder sehen sich mit der Zeit selbst als Sexobjekt. In Beziehungen lassen sich Mädchen und junge Frauen zunehmend auf Praktiken ein, die sie als demütigend, eklig oder schmerzhaft erleben, um nicht die Beziehung zu verlieren, als verklemmt zu gelten oder allein zu bleiben. So werden Grenzverletzungen normalisiert.

Jungen, die häufig Pornos konsumieren, nehmen Mädchen vermehrt als Sexobjekt wahr. Die ständige Verfügbarkeit von Sex als Produkt und weiblichen Körpern als Konsumgut, das sie nach Alter, Ethnie, Körpermaßen und Praktiken auswählen können, befördert eine narzisstische Anspruchshaltung. Pornos vermitteln die Botschaft: »Nimm dir, was du willst, wann immer du Lust hast. Es gibt keine Grenzen. Nur deine Befriedigung zählt.« Je früher dies gelernt wird, desto mehr prägt es Beziehungen und Sexualität. Und führt auch dazu, dass immer mehr junge Männer zu Prostituierten gehen.

Wie Eltern ihre Kinder schützen können

Kinder sollten nicht über einen unkontrollierten Internetzugang verfügen, denn sie haben noch nicht den Reifegrad, eigenverantwortlich über Inhalte und Dauer ihrer Internetnutzung zu entscheiden. Technische Hilfen wie Filterschutzsoftware ergänzen, aber ersetzen natürlich nicht das vertrauensvolle Gespräch in der Familie. Aus Scham und Zerrissenheit erzählen nur 4% der Kinder ihren Eltern, wenn sie auf Pornos gestoßen sind. Darum sollten Eltern das Thema proaktiv und unaufgeregt ansprechen und dabei ihren Kindern signalisieren, dass sie um die Verbreitung wissen, ihnen keine Vorwürfe machen werden, wenn ihr Kind davon erzählt.

Gegen Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung

Vom 21. bis 24. April findet der Kongress »Gegen Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung« im Christlichen Gästezentrum »Schönblick« in Schwäbisch Gmünd statt. Auch Tabea Freitag ist dabei. Sie spricht zum Thema »Prävention von jugendlichem Pornografiekonsum und sexueller Ausbeutung«.

Weitere Informationen

In der Prävention mit »Fit for Love?« in Schulen erleben wir, dass Teenager dankbar sind, wenn Erwachsene auf gesichtswahrende und wertschätzende Weise mit ihnen über Pornos, Sexualität und Liebe reden, ohne Schamgefühle zu verletzen. Dies gelingt z. B. mit Bildern, die etwas von dem Zusammenspiel von Bindung und Sexualität, von Identität und guten Grenzen, von Leidenschaft (Feuer) oder der Fähigkeit, Spannung auszuhalten (Pfeil und Bogen), verdeutlichen. Dabei ist mir wichtig, ein positives, ganzheitliches Bild von Liebe und Sexualität zu vermitteln, aber auch über Hintergründe der Pornoindustrie wie Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung sowie über die Risiken wie Sucht und Beziehungsprobleme aufzuklären. Für Eltern ist es sinnvoll, neben dem Gespräch zu Hause auch das mit Schul- und Kirchenvertretern zu suchen. Dort können sowohl ein ausreichender technischer Schutz (§ 184 StGB) als auch Elternabende zum Thema und Prävention in Schulklassen oder Jugendgruppen angeregt werden. Aufklärung über Pornokonsum, Menschenhandel, Sucht und Ausstiegshilfen gehört in jede Gemeinde.

»Fit for Love?« Prävention von Pornografiekonsum und sexueller Gewalt

Theorie und Praxis einer bindungsorientierten Sexualpädagogik
von Tabea Freitag u.a.

– druckfrisch: stark erweiterte Neuauflage mit neuen Bausteinen
– aktuelle Studien zur Wirkung von frühem Pornokonsum
– Risiko- und Schutzfaktoren sexueller Gewalt
– neuer Schwerpunkt: Prävention von sexuellen Grenzverletzungen online und offline
– mit Bildmaterial für Beamereinsatz im Unterricht zum Download
– zahlreiche Arbeitsblätter und Kopiervorlagen zum Download
– bewährt und praxiserprobt
– 5. erweiterte Gesamtauflage 2024 (Auflage bisher 5.400 Ex.)

Paperback, 248 Seiten, Format ca. DIN A4
44,00 Euro zzgl. Versandkosten

Weitere Informationen
Dieser Artikel wurde von Tabea Freitag verfasst. Sie ist Diplom-Psychologin und Psychotherapeutin in eigener Praxis und gründete 2008 mit ihrem Mann Eberhard Freitag »return – Fachstelle Mediensucht und -erziehung«.

Außerdem haben wir im Mai wertvolle Webinare für dich:

»Community Connect – Kollegiales Coaching«
Datum: 2. Mai 2024, 10:00 Uhr
Referentin: Carola Holfeld ist Teil des MrJugendarbeit Teams, Theologin und seit vielen Jahren hauptamtlich in der Kinder- und Jugendarbeit tätig. Jetzt anmelden

»Wie tickt die christliche Gen Z«
Datum: 23. Mai 2024, 10:00 Uhr
Referent: Thorsten Attendorn macht im freikirchlichen Bereich seit vielen Jahren ehrenamtlich Jugendarbeit und hält Predigten und Vorträge insb. zum Thema gesunder Glaube/gesundes Gottesbild. Als Teilnehmer des Barna Church CoLab Discipling Gen Z hat er in 2023 eine Umfrage mit fast 1000 Teilnehmern aus der christlichen Gen Z durchgeführt, deren Ergebnisse er in dem Webinar zur Diskussion stellt. Jetzt anmelden

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