Manchmal ist das »Kaputte« auch in einer »ganz normalen« Jugendarbeit nur um die Ecke. Elternhäuser, die zerbrechen. Mobbing in der Schule. Ein gewalttätiger Bruder. Unendliche Einsamkeit auch mitten unter Menschen. Angst vor Verachtung durch das andere Geschlecht. Jugendarbeit ist nicht der Tropfen auf den heißen Stein. Sondern der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringen und alles im Leben eines jungen Menschen mit Hoffnung überfluten kann. Willkommen beim MRJ Freitagsbriefing – der wöchentliche Newsletter, der dir hilft, Jugendkultur zu verstehen.

Drei Dinge diese Woche

1. Die Serie über den 13-jährigen Mörder, weil er INCEL* ist

Worum es geht: Die neue britische Netflix-Serie Adolescence zeigt auf, wie ein normaler 13-jähriger Junge in einem ganz normalen Umfeld zum Mörder werden konnte. Normale Eltern, Schulstress, unterfinanzierte Lehrer, finanzielle Sorgen, toxische Männlichkeitsideale, Internet-Überflutung – wo ist der Punkt, an dem es kippt? 

Warum uns diese Frage beschäftigen sollte: Dass die Serie ausgerechnet »Adolescence«, also Pubertät genannt wurde, gibt zu denken. Ist der gesellschaftliche Systemverfall so weit fortgeschritten, dass sowohl das elterliche als auch das schulische Umfeld keine Rahmenbedingungen mehr für die gesunde Entwicklung von Teenagern geben kann? Stephen Graham, Produzent der Serie, wurde durch einen Artikel über ein junges Mädchen, das von einem Jungen erstochen wurde, zu der Serie inspiriert. Ein paar Monate später sah er eine ähnliche Geschichte in den Nachrichten.

Stephen sagte: »Um ehrlich zu sein, hat es mir das Herz gebrochen. Als Elternteil dachte ich: Was ist los mit unserer Gesellschaft? Was passiert da draußen, dass so etwas zur Normalität wird?«
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Emojis als Waffen – Mobbing in Bildern
Im Film »Adolescence« reichen Emojis, um jemanden brutal zu mobben:

🔵 Blaue Pille: Du siehst die Welt so, wie sie möchte, dass du sie siehst (naiv).
🔴 Rote Pille: Ich erkenne die Wahrheit. (Ein Symbol der »Manosphere«.)
🧨 Dynamit bedeutet: Eine explodierende rote Pille.
💯 Hundert-Emoji: Die 80/20-Regel – angeblich ziehen nur 20 % der Männer 80 % der Frauen an. Du gehörst nicht dazu und hast keine Chance.

Kombiniert bedeutet 🧨 + 💯: Du bist ein *INCEL (involuntary celibate) – für immer allein und ungeliebt.

Jeder, der diesen Kommentar liked ❤️, stimmt dem öffentlich zu. Das ist Mobbing. Mit nur zwei Symbolen.

Diese Fragen beschäftigen nicht nur Stephen, die Justiz, die Medien oder die Eltern – sie berühren auch uns Jugendleiterinnen und Jugendleiter. In der neuesten Folge des Podcasts Talking Youth Ministry von Youthscape, hier für euch übersetzt, sprechen Rachel und Lucy darüber, wie schmerzhaft relevant diese Serie ist – und wie wir damit umgehen können. Es geht um toxische Männlichkeit, digitale Subkulturen, Gewalt gegen Mädchen, elterliche Überforderung und um die Relevanz von Jugendarbeit und empathischen Beziehungen.

Frag deine Jugendlichen: Hast du die Serie gesehen? Gibt es Parallelen zu deiner Schule?

2. Erfahrungen unserer Jugend mit toxischer Männlichkeit

Worum es geht: Andy wurde kürzlich von Teenagermädchen als SIGMA identifiziert, da er ein »Versorger« seiner Familie sei und »kalt duscht«. Die Schubladisierung von Männern und Frauen schreitet munter voran. Sigma wird übrigens von Jungs meistens positiv bewertet, von Mädchen aber oft negativ. Besonders Andrew Tate wurde wegen seiner machohaften Lebensweise als ALPHA von vielen Männern gefeiert, die sich von einer »woken« Frauensicht auf die Welt nicht unterkriegen lassen wollten. Im Grunde geht es für beide Geschlechter darum, sich selbst zu finden und den eigenen Wert festzulegen. Viele sind bereit, dies auf Kosten des anderen Geschlechts zu tun und bemerken nicht, dass sie damit eine Abwärtsspirale der gegenseitigen Gehässigkeiten in Gang bringen. 

Dieses Thema ist wirklich in den Köpfen deiner Jugendlichen: Normalerweise erhalten wir kurze, knackige Statements von Jugendlichen. Diesmal ist es jedoch anders. Aufgeladen: 

Frag deine Jugendlichen: Welche Erfahrungen hast du mit toxischer Männlichkeit gemacht?

3. Frauen sind orientierungslos: auf der Suche nach einem Erlöser

Worum es geht: Die Gen-Z-Journalistin Freya India sprach kürzlich im Podcast Modern Wisdom von Chris Williamson über die Herausforderungen junger Frauen.

Warum das wichtig ist: Freya India sagt, dass junge Menschen heute zwar in Informationen schwimmen, aber trotzdem echte Orientierung vermissen. Zwar gibt es unzählige Influencer, ChatGPT und soziale Medien – doch keiner dieser Kanäle kümmert sich wirklich um die Jugendlichen oder spricht harte Wahrheiten aus. Stattdessen bleibt es oft bei hohlen Phrasen wie »Sei du selbst« oder »Du weißt am besten, was gut für dich ist.« Gerade Eltern und Jugendleiter sind deshalb systemrelevant (ha!): Sie sind oft die einzigen, die aus echter Fürsorge sprechen und Orientierung bieten.

Weiter gedacht: India beobachtet, dass immer mehr junge Frauen von der »Therapiekultur« angezogen werden – alles wird psychologisch analysiert, jedes Problem therapeutisch beschrieben. Dabei stellt sie eine spannende These auf: Diese Therapiekultur könnte für manche zu einer Art Ersatzreligion geworden sein. Wo früher vielleicht gebetet wurde, schicken junge Menschen heute »Wünsche ans Universum« oder ersetzen geistliche Führung durch »positive Affirmationen«.

Natürlich ist es kein Widerspruch, Therapie zu nutzen und gleichzeitig Glauben zu praktizieren. Aber der Verlust einer Glaubensgemeinschaft scheint für viele eine Kluft hinterlassen zu haben, die sie mit Psychologie und Selbstoptimierung zu füllen versuchen. Doch all diese Methoden reichen nicht aus, um das tiefere Bedürfnis nach einem Retter zu stillen.

In Römer 1,21 schreibt Paulus: »denn trotz allem, was sie über Gott wussten, erwiesen sie ihm nicht die Ehre, die ihm zukommt, und blieben ihm den Dank schuldig. Sie verloren sich in sinnlosen Gedankengängen, und in ihren Herzen, denen jede Einsicht fehlte, wurde es finster.« Genau das könnte die Sackgasse unserer Zeit sein: Wir schauen nach innen, statt auf Jesus, und hoffen, unser Inneres durch Therapie und Selbstverbesserung reparieren zu können. Doch unser Herz bleibt dabei unverändert – wir bleiben neidisch, wütend oder distanziert.

Frag deine Jugendlichen:
• Wer sind Erwachsene in deinem Leben, von denen du echten Rat bekommst?
• Hast du Freunde, die stark von psychologischer Sprache und Therapie-Ideen geprägt sind? Was hältst du davon?
• Lebst du so, als ob Jesus wirklich deine Hoffnung wäre? Tue ich das?

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