Louise Perry, Journalistin und Frauenrechtlerin, steht vielleicht überraschend als Befürworterin des historischen Wertes der christlichen Sexualmoral da. Aufgewachsen in einem agnostischen Haushalt, teilte sie lange die progressiven Ansichten über Sex und Beziehungen ihrer Altersgenossen.

Ihre Arbeit in einem Krisenzentrum für Vergewaltigungsopfer jedoch brachte sie dazu, ihre Sichtweise zu überdenken. Im Jahr 2021 veröffentlichte sie den unerwarteten Bestseller »The Case Against the Sexual Revolution« (Argumente gegen die sexuelle Revolution) – eine scharfsinnige Kritik an der pornodurchtränkten, hypersexualisierten Dating-Kultur unserer Zeit.

»Das Problem mit der sexuellen Desillusionierung ist, dass die Menschen sich nicht so verhalten, als ob sie wahr wäre, weil die Menschen die sexuelle Desillusionierung nicht als wahr empfinden.« — Louise Perry

Perry hat das Buch aber nicht aus einer christlichen Perspektive geschrieben. Die Argumente in ihrem Buch, warum die sexuelle Revolution schlecht für die Frauen war, werden alle aus einer rein sozio-evolutionären Perspektive vorgebracht. Fast zu ihrer eigenen Überraschung stellte sie jedoch fest, dass ihre Thesen erstaunlich nahe an der historischen christlichen Auffassung von monogamer Ehe und Keuschheit liegen.

Warum Sex etwas Besonderes ist

Seit der Veröffentlichung ihres Buches häufen sich Perrys öffentliche Auftritte. Ich habe mich sehr gefreut, die Geschichte, warum sie ihre Meinung über die sexuelle Revolution geändert hat, in einer kürzlich erschienenen Ausgabe des Podcasts The Surprising Rebirth of Belief in God zu hören (Anm. d. Red. auf Englisch).

Dieser Artikel basiert auf einem Podcast-Gespräch zwischen Justin Brierley und Louise Perry. Hör dir den ganzen Podcast hier an!

Perry sagt: »Wir haben ein tiefes, intuitives Gefühl, dass Sex irgendwie etwas Besonderes ist. Es mag sein, dass sich das aus irgendeinem Grund in uns entwickelt hat. Wie dem auch sei, so empfinden wir Menschen es eben. Und wenn man versucht, etwas anderes vorzutäuschen, macht man sich selbst und andere unglücklich.

Es gibt einige Frauen, die können Gelegenheitssex wirklich einfach genießen, sie können Sex wie ein Mann haben (ein Ausdruck, der in Sex And The City verwendet wird). Aber die große Mehrheit der Frauen empfindet nicht so. Was sie in der Regel empfinden, sind tiefe, instinktive Gefühle des Unbehagens und der Verzweiflung, die sehr schwer zu artikulieren sind.«

Perry erklärte mir, warum die Fokussierung sowohl der Männer als auch der Frauen auf Freiheit und Einvernehmlichkeit in sexuellen Beziehungen und deren Loslösung von der christlichen Verpflichtung zu lebenslanger Monogamie – den Frauen insgesamt schadet.

»Des einen Freud ist des anderen Leid. Wenn man mehr Freiheiten schafft, werden einige Leute davon profitieren. Aber die Menschen, die davon profitieren, sind in der Regel diejenigen, die von vornherein in der stärksten Position und in der Lage sind, die neuen Möglichkeiten, die die Freiheit mit sich bringt, zu nutzen.

Ich denke, die wahren Verlierer der sexuellen Revolution sind vor allem die armen Frauen. Es gibt einige Dinge, die Frauen zu allen Zeiten und an allen Orten von Natur aus verletzlicher machen als Männer. Wir sind körperlich kleiner als Männer; anfälliger für Gewalt; wir werden schwanger, was eine Freude und ein Wunder ist, aber auch alle Arten von Schmerz und Verletzlichkeit mit sich bringt.

Besonders verletzlich sind arme Frauen, denn die Sexindustrie hing schon immer als stets drohende Gefahr über ihren Köpfen. In der sexuellen Revolution sehen wir nicht den Versuch, Frauen vor diesem Schicksal zu bewahren, sondern dessen Neuverpackung – Sexarbeit ist ermächtigend– und all die liberalen Beschönigungen dessen, was eigentlich eine uralte Form der Ausbeutung und Unterdrückung ist.«

Die christliche sexuelle Revolution

Louise Perry ist zu der Erkenntnis gelangt, dass es in Wirklichkeit zwei sexuelle Revolutionen gegeben hat. Die Revolution des 20. Jahrhunderts kam einher mit Technologien wie der Pille, die die Verbindung zwischen Sex und Gebären auflösten, und räumte gleichzeitig durch die veränderten gesellschaftliche Sitten mit der Monogamie- und der Ehepflicht auf.

Trotz aller Vorteile, die sich aus dem Abbau von Stigma und Scham im Zusammenhang mit der weiblichen Sexualität ergaben, sagt Perry, dass das daraus resultierende kometenhafte Wachstum der Pornoindustrie, die Kommerzialisierung und Entpersonalisierung von Sex und das anschließende Aufkommen des Marktes für Leihmutterschaft mit einem hohen Preis für Frauen, Männer und Kinder daherkommen.

Zusammen mit anderen Feministinnen wie Mary Harrington vertritt sie zunehmend die Ansicht, dass wir eine Rückkehr zur ersten sexuellen Revolution brauchen – als die Christen die griechisch-römische Kultur transformierten, indem sie darauf bestanden, dass Sex nicht nur der Erholung oder der Ausbeutung der Schwachen durch die Mächtigen diente. Sondern dass es etwas Heiliges war, das gegenseitiges Einverständnis, Liebe und Treue erforderte und darauf abzielte, Kinder in einer Familieneinheit aufzuziehen.

Perry sagt: »Die Vorstellung, dass der sexuelle Missbrauch einer Sklavin abscheulich ist, stammt aus dem Christentum und war in der Antike und in vielen anderen Kulturen absolut nicht allgemein anerkannt.«

»Ich glaube wirklich, dass der Feminismus aus dem Christentum kommt und sich vollständig auf christliche moralische Prinzipien stützt.« —Louise Perry

Das Christentum ist irgendwie attraktiv

Nachdem sie zu der Überzeugung gelangt ist, dass das christliche Konzept der Keuschheit und der monogamen Ehe zwar nicht perfekt, aber insgesamt die beste Art und Weise sei, mit Sex und Beziehungen umzugehen, die uns bisher eingefallen ist... wie steht Perry dann selbst zur Frage des Glaubens?

Wir besprachen diese Frage gegen Ende unseres Gesprächs, als ich in Perrys eigenem Podcast ›Maiden, Mother, Matriarch‹ auftrat. Perry sagte:

»Ich finde das Christentum intellektuell und emotional sehr, sehr spannend, aber ich finde die Metaphysik schwierig. Ich glaube, das liegt daran, dass wir diese Art Feuerpause hatten. Ich glaube, wenn ich vor einigen Jahrhunderten geboren worden wäre, hätte ich einfach geglaubt. Ich glaube nicht, dass ich ein natürlicher Atheist bin. Ich wäre einfach mit dem Glauben jener Zeit mitgeschwommen. Aber da ich das nicht hatte, fällt es mir heute schwer, mich für all das zu entscheiden. Nicht nur wegen der Auferstehung. Es gibt so viele übernatürliche Behauptungen im Christentum, mit denen mein desillusioniertes Gehirn nicht zurechtkommt.«

Ich fragte Perry, wie sie versuchen könnte, die Kluft zu überbrücken, die sie zwischen ihrem ›desillusionierten Gehirn‹ und dem Glauben an die übernatürlichen Behauptungen des Christentums empfindet. Hören Sie sich unser Gespräch gegen Ende der Folge an (Anm. d. Red. auf Englisch), um zu erfahren, was ich dazu zu sagen hatte.

Perry hörte dankend zu und erzählte mir von einem Rat, den ihr ein christlicher Freund kürzlich gegeben hatte:

»Das Gute am Christentum ist, dass es umfassend und in sich kohärent ist, und es ist nicht so, dass es wirklich eine Alternative gibt. Die Wissenschaftsgläubigkeit von Dawkins bietet keine echte Alternative. Er kann uns nicht sagen, warum wir hier sind oder so etwas. Das masst er sich auch nicht an. Also stürzt man sich mit dem Kopf voran hinein und sagt: Ich werde es einfach akzeptieren und aufhören, mir darüber Gedanken zu machen, wie uns das Plakat [einer atheistischen Buskampagne] rät! Warum glaubst du nicht einfach an Gott und hörst auf, dir darüber Gedanken zu machen... und genießt dein Leben!«

Für den Moment bin ich dankbar für Louise Perrys Stimme in einer desillusionierten Zeit, und ich freue mich darauf, zu sehen, wohin ihre intellektuelle und emotionale Reise mit dem Glauben sie als Nächstes führt.

Dieser Artikel wurde am 31. Januar 2024 von Justin Brierley auf seiner Website justinbrierley.com veröffentlicht und bezieht sich auf seinen Podcast The Surprising Rebirth Of God. Mit freundlicher Genehmigung des Autors. Übersetzung von Priscilla Alvarez.

Louise Perry bei Jordan Peterson zu Gast.

Louise Perry zu Gast bei Ali Abdaal.

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