Ich bin immer wieder auf der Suche nach Predigtvorbildern. Lange Zeit habe ich mich in erster Linie an »Starpreachern« aus den USA orientiert.

  • Wie predigen sie?
  • Wie verknüpfen sie die Heilige Schrift mit der heutigen Lebenswelt?
  • Wie gewinnen sie die Aufmerksamkeit der Menschen?

Diese und weitere Fragen stellte ich mir häufig, um mich von ihnen inspirieren zu lassen.

Im Laufe der Zeit kam mir aber ein Gedanke auf: Wenn ich Jesus in allen Lebensbereichen nachfolgen möchte, warum nicht auch beim Predigen? Warum schaue ich nicht in erster Linie nach Jesu Redepraxis?

Natürlich, wir leben heute in einer ganz anderen Zeit. Jesus sprach in keinen Klassenräumen. Er entwickelte kein Curriculum und vergab keine Noten. Er gebrauchte auch keine digitale Technologie wie iPads als Hilfestellung zum Sprechen.

Wir können also nicht alles eins zu eins von Jesus auf uns heute übertragen. Was aber können wir von ihm lernen?

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In meiner Recherche bin ich auf die dreiteilige Blogserie »How to Preach Like Jesus« von dem bekannten Pastor Rick Warren gestoßen. Er arbeitet die für ihn drei wichtigsten Aspekte der Predigtpraxis Jesu aus.[1]

Als ersten Aspekt betont er, dass die Predigt bei der heutigen Lebenswelt der Menschen beginnen muss. Jesus sprach über die Bedürfnisse, den Schmerz und die Interessen der Menschen. Er reagierte auf Fragen oder drängende Probleme aus der Menge.

Als zweiten Aspekt stellt er heraus, dass Jesus sehr praktisch war. In der bekannten Bergpredigt spricht Jesus über Sorgen, gestörte Beziehungen, Kontrolle von Wut, Scheidung und Ehebruch. Aber auch andere Themen wie man beten und mit Feinden umgehen sollte. 

Als dritten Aspekt spricht Warren sich dafür aus, die Predigtinhalte interessant und simpel zu halten. Jesus nutzte Geschichten als kraftvolles Mittel. Er war ein Storyteller und sprach dadurch die Emotionen und das Gedächtnis an. Gleichzeitig verwendete Jesus eine einfache Sprache. Er bevorzugte Klarheit über Komplexität.

Als ich Warrens Ausführungen las, war ich zu Beginn begeistert. Wow! Wie praktisch war Jesus unterwegs. Er begeisterte sowohl Einzelne als auch die Massen. Nachdem ich aber länger über seine Punkte nachdachte, kamen in mir aber auch Fragen auf.

Arbeitet Warren nicht eher ein Bild von Jesu Verkündigung heraus, welches mehr der heutigen Redepraxis der meisten »Starpredigerinnen und -prediger« ähnelt als der von Jesus?

Können wir nur auf dieser pragmatischen Ebene von Jesus als Prediger lernen?

Verzerren diese drei Punkte nicht die Verkündigungspraxis Jesu?

Schließlich stand er doch in einer jüdisch-prophetischen Tradition und hinterfragte den damaligen gesellschaftlichen Zustand, oder?

Dann las ich einige Gedanken von dem Franziskaner Richard Rohr zu Jesu Verkündigung. Er betonte bewusst eine ganz andere Seite von Jesus:

»Im Allgemeinen können wir feststellen, dass der Stil Jesu fast genau das Gegenteil des modernen Televangelismus oder sogar des kirchlichen Ansatzes […] mit inspirierenden Ratschlägen und praktikablen Lösungen für das tägliche Leben ist. Jesus ist zu sehr der jüdische Prophet, als dass er den Status quo mit Plattitüden stabilisieren könnte. Vielmehr destabilisiert er die falschen Annahmen, auf denen die ganze Frage oder die eigene Weltanschauung aufbaut.«[2]

Als ich mehr darüber nachdachte, merkte ich, wie sich in mir eine Spannung auftat. War Jesus jetzt ein Storyteller, der die Bedürfnisse der Menschen ernst nahm und ihnen praktische Ratschläge an die Hand gab? Oder stand er nicht vielmehr in jüdisch-prophetischer Tradition, in der er gesellschaftliche Vorstellungen herausforderte und recht unbequem für meist privilegierte Menschen wurde?

Meine Antwort fiel so aus: Jesus sprach auf beide Weisen. Predigten dürfen individuell, lebensnah und einfach sein. Aber: wir brauchen auch die prophetische Dimension in unseren Predigten!

  • Wir brauchen Predigten, die gesellschaftliche Strukturen hinterfragen.
  • Wir brauchen Predigten, die mehr für soziale Gerechtigkeit einstehen.
  • Wir brauchen Predigten, die sich in die prophetische Tradition Jesu einreihen.

Ich hoffe, mein Plädoyer wird deutlich: Lasst uns das Predigen als Teil der Christusnachfolge verstehen! Wenn du mehr über Jesu Redepraxis wissen möchtest, lade ich dich gerne ein, mein Buch »Preach. Dein Workbook fürs Predigen«[3] zu kaufen.

Wie löst du diese Spannung auf? Welche Erfahrungen hast du in deiner Gemeindearbeit gemacht? Schreibe es gerne in die Kommentare!

Simon Wiebe, ausgebildet in evangelischer Religionslehre und Geschichte, ist Autor und Öffentlichkeitsarbeiter im Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte. Sein Buch »Preach. Dein Workbook fürs Predigen« richtet sich an ehrenamtliche kirchliche Mitarbeiter.

[1] Vgl. Rick Warren: How to Preach Like Jesus, Part 1: Start with People, https://pastors.com/preach-like-jesus-1/, Part 2: Get Practical, https://pastors.com/preach-like-jesus-2/, Part 3: Keep It Interesting and Simple, https://pastors.com/preach-like-jesus-3/, letzter Aufruf am 18.01.2024.

[2] Richard Rohr: Foreword, in: John Dear: The Questions of Jesus. Challenging Ourselves to Discover Life's Great Answers, New York 2004, xxii-xxiii.

[3] https://www.scm-shop.de/preach.html

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