»Darf ich dir eine Frage stellen, Simon?«
»Klar, nur zu«, antwortete er mit einem Grinsen. »Frag, was du willst.«
»Hast du das Gefühl, dass du Gott brauchst?«

Da war sie – die Gelegenheit, nach all den Wochen endlich das eigentliche Thema auf den Tisch zu bringen. Simon und ich hatten uns über einen gemeinsamen Freund kennengelernt, und er hatte tatsächlich die Einladung angenommen, eine Kleingruppe zu besuchen und mit dem Bibellesen zu beginnen! Aber nach mehreren höflichen Versuchen wurde klar, dass er daraus nicht wirklich etwas mitnahm. Also schlug ich vor, dass wir uns auf einen Kaffee treffen.

Zum Glück merkte ich, dass Simon sich von meiner direkten Frage nach seinem Bedürfnis nach Gott nicht abschrecken ließ. Er nahm die Frage ernst und antwortete nach einer kurzen Pause auf eine Weise, die mir bis heute im Gedächtnis geblieben ist.

»Das klingt jetzt wahrscheinlich schlecht, und vermutlich auch ziemlich arrogant, aber... nicht wirklich? Also, vielleicht klingt das jetzt ein bisschen wie ein Geschäft, aber ich müsste erst sehen, warum es mein Leben überhaupt besser machen sollte.«

Es scheint, dass viele meiner Versuche, Menschen für das Evangelium zu gewinnen, ähnlich verlaufen wie meine Gespräche mit Simon. Oft fasse ich mir ein Herz und bringe Gott in meine Beziehungen und Alltagsgespräche ein. Doch selbst wenn ich mutig bin, habe ich den klaren Eindruck, dass die meisten Menschen keinerlei Interesse daran haben, über Kirche oder Glauben zu sprechen – und schon gar nicht über Jesus. Ich behaupte nicht, dass sie wütende Atheisten sind oder meinem christlichen Glauben feindlich gegenüberstehen. Es ist vielmehr so, dass sie schlicht nicht über Gott, die Ewigkeit oder überhaupt über ihren Lebenssinn nachdenken – zumindest nicht an der Oberfläche. Und sie scheinen auch keinen wirklichen Grund zu sehen, damit anzufangen.

Das lässt mich oft entmutigt zurück. Manchmal frage ich mich unbewusst, ob es überhaupt noch sinnvoll ist, solche Themen anzusprechen. Vielleicht ist es in der heutigen geistlichen Stimmung tatsächlich meine Aufgabe, mich daran zu halten, was in 1. Thessalonicher 4,11 steht: »Und setzt es euch zum Ziel, ein geordnetes Leben zu führen, euch um eure eigenen Angelegenheiten zu kümmern und selbst für euren Lebensunterhalt zu sorgen. Wenn ihr das tut – und wir haben euch ja schon früher dazu aufgefordert –,« dann wäre das vielleicht schon genug.

Unsere Kultur hat sich drastisch verändert...

Wenn es dir wie mir geht und du oft das Gefühl hast, dass die Menschen um dich herum wenig Interesse an Glaubensthemen haben – besonders am christlichen Glauben –, dann bist du nicht allein.

Christliche Leiter, Wissenschaftler, Historiker und Praktiker sagen uns: Im Westen (und vielleicht auch in anderen Teilen der Welt, die stark vom westlichen Christentum geprägt wurden) leben wir in einer nachchristlichen Gesellschaft. Damit ist vereinfacht gemeint, dass die Kirche über viele Jahrhunderte hinweg ein prägender kultureller Einfluss war, heute aber nicht mehr im Mittelpunkt der Gesellschaft steht. Die meisten Menschen haben kaum noch Wissen über Gott – und keine persönliche Geschichte mit ihm. Sie sind nicht auf der Suche nach Gott. Für viele um uns herum existiert Gott einfach... nicht.

»Eine der Herausforderungen für einen Apologeten ist, dass der Nachweis der Vernünftigkeit oder Wahrheit des Christentums nicht zwangsläufig dazu führt, dass Menschen es annehmen. Etwas kann wahr sein und trotzdem wenig oder gar keine Bedeutung für das menschliche Leben haben.« — Alistair McGrath, Narrative Apologetics, p.15

Früher war der durchschnittliche Mensch mit den wichtigsten Geschichten der Bibel vertraut und hatte ein Bewusstsein für Gottes Maßstäbe für die Menschheit. Deshalb ergab es viel Sinn, dass sich unsere evangelistischen Ansätze vor allem darauf konzentrierten, Menschen herauszufordern, diese vertrauten Wahrheiten auf ihr eigenes Leben anzuwenden – also ihr Wissen über Gott in eine persönliche Hingabe an Gott zu übersetzen.

Da heute jedoch »kein Überbleibsel der Jesus-Geschichte« mehr in unserer Kultur vorhanden ist, wirkt es bestenfalls ahnungslos – und schlimmstenfalls grausam –, Menschen einzuladen, Jesus zu ihrem »Herrn und Retter« zu machen, und sich dann zurückzuziehen, als hätten wir unsere Pflicht getan, selbst wenn die andere Person keinerlei echtes Interesse oder Verständnis gezeigt hat.

… Aber unsere Methoden haben sich nicht verändert

Obwohl sich so vieles gewandelt hat, scheint sich auf praktischer Ebene im Bereich Mission und Evangelisation nicht genug verändert zu haben.

Unsere persönliche Evangelisationsmethode besteht größtenteils darin, zu versuchen, als »nette Menschen« zu leben und zu hoffen, dass andere irgendwann unseren Glauben bemerken und uns danach fragen. Auch die Evangelisationsstrategien der Kirche beruhen weiterhin stark auf der Erwartung, dass Menschen aktive Fragen über Gott, das Leben, Jesus und die Bibel haben und in unsere Räume kommen, damit wir ihnen helfen können, das alles zu verstehen.

Natürlich kennen wir alle Ausnahmen davon. Es gibt Regionen der Welt, in denen Menschen aus der Umgebung tatsächlich Gottesdienste und Programme besuchen, wenn diese ansprechend gestaltet sind und die Botschaft klar vermittelt wird. Und in anderen Teilen der Welt, wo die Menschen nicht in gleicher Weise kommen, wirkt der Heilige Geist dennoch. In beiden Fällen kommen weiterhin Menschen zum Glauben, denn Gott baut immer noch sein Reich – auch in einer Gesellschaft, die im Großen und Ganzen nicht nach ihm sucht. Allerdings scheint dies seltener zu geschehen.

»Letztes Jahr haben wir im Rahmen unseres offenen Angebots wöchentlich eine ›Andacht‹ angeboten, die Gebet, Anbetung und Bibellehre beinhaltete. Egal, wie ›jugendgerecht‹ wir die Inhalte gestaltet oder wie aktuell die Lieder waren – die Gruppe war nicht wirklich dabei. Als Team haben wir erkannt, dass dies tief im Inneren daran lag, dass sie einfach nicht neugierig auf die christliche Geschichte waren.«— Jemimah Woodbridge, in No Questions Asked: The Findings From a Qualitative Study of 16-19 Year-Olds in Luton, The Youthscape Centre for Research, 2016

Wir brauchen einen neuen Ansatz

Es scheint, als bräuchten wir einen neuen Ansatz.

Einen Ansatz, der berücksichtigt, wo die Menschen heute in ihrem Bewusstsein für Gott stehen, und der anerkennt, dass die Menschen um uns herum nicht unbedingt aktiv gegen Gott sind – sie haben ihm einfach noch nie wirklich begegnet.

Bevor wir jedoch einen alternativen Weg der Evangelisation entfalten, muss klar gesagt werden: Es gibt vieles, das sich nicht ändern darf und auch nicht ändern soll.

Selbst der bestgemeinte Ansatz, der aus einer sorgfältigen Auseinandersetzung mit dem Evangelium und der Kultur entwickelt wird, in die wir es hineintragen wollen, ist aus eigener Kraft nicht in der Lage, Glauben zu bewirken. Wir müssen auf Jesu Worte hören und darauf vertrauen, dass Gott und sein Geist die Menschen zu sich ziehen.

»Niemand kann von sich selbst aus zu mir kommen. Der Vater, der mich gesandt hat, muss ihn zu mir ziehen.« — Jesus (Johannes 6,44, NGÜ)

Und obwohl eine Beziehung zu einem lebendigen Christen immer noch der wirksamste Weg ist, um jemanden mit Gott durch Jesus bekannt zu machen, müssen wir als Leib Christi auf andere zugehen – nicht als Einzelkämpfer, die mühsam an vorderster Front überleben und alleine vorankommen wollen. Trotz der Tatsache, dass die Kirche in vielen Teilen des Westens statistisch gesehen im Rückgang ist, hat Jesus versprochen: »Ich sage dir: Du bist Petrus[3]. Auf diesen Felsen werde ich meine Gemeinde bauen, und selbst die Macht des Todes wird sie nicht besiegen können.« (Matthäus 16,18, HFA). Die Kirche war schon immer Gottes »Evangelisationsstrategie«, um die Welt zu erreichen.

Außerdem können wir, egal welchen Ansatz wir wählen, schwierigen Wahrheiten wie Selbstsucht, Stolz, Zorn, Konsumdenken und dem Verlangen nach Macht und Kontrolle nicht ausweichen.

Die Realität ist: Durch sündhafte Unabhängigkeit wird der menschliche Verstand vernebelt und das menschliche Herz verdunkelt. Viel von der heutigen Gleichgültigkeit und der Unterdrückung geistlicher Neugier lässt sich auf diese traurigen Entscheidungen zurückführen.

»[...]denn trotz allem, was sie über Gott wussten, erwiesen sie ihm nicht die Ehre, die ihm zukommt, und blieben ihm den Dank schuldig. Sie verloren sich in sinnlosen Gedankengängen, und in ihren Herzen, denen jede Einsicht fehlte, wurde es finster.«— Römer 1,21, NGÜ

Es wird also deutlich, dass viele Wahrheiten beim Teilen unseres Glaubens unverändert bleiben. Doch angesichts der heutigen Situation ist es sinnvoll, innezuhalten und unseren Ausgangspunkt neu zu überdenken. Vielleicht sollten wir uns fragen, ob die persönliche Sünde gegen Gott wirklich der beste Ansatz ist, um zu beginnen. Viele Christen sind überzeugt, dass wir »die Menschen erst warnen müssen, dass sie auf einem sinkenden Schiff sind, bevor sie nach dem Rettungsring greifen«. Aber spiegelt dieser Ansatz wirklich ein Gespür für das geistliche Klima um uns herum wider? Wenn die meisten Menschen ohnehin keinen wirklichen Sinn darin sehen, an Gott zu glauben, dann beunruhigt sie auch nicht die Tatsache, dass die Sünde zwischen ihnen und Gott steht.

Beginne damit, die Relevanz-Hürde anzusprechen

Wir bezeichnen das fehlende Interesse am christlichen Glauben als die »Relevanz-Hürde«. Sie zeigt sich in Aussagen wie: »Das interessiert mich einfach nicht« oder »Ich sehe keinen Sinn darin«, wenn jemand die Gelegenheit bekommt, über den Glauben zu sprechen oder Fragen über Gott und das Christentum zu stellen.

»Für viele junge Menschen heute ist Religion keine ausreichende Quelle und kein tragfähiger Weg für Glauben und Zugehörigkeit. Für sie stellt sich weniger die Frage ›Gibt es Gott?‹, sondern vielmehr ›Warum sollte das überhaupt wichtig sein?‹«— Abby Day, Believing in Belonging

Es stimmt, dass es noch immer mehrere andere Hürden für das Evangelium gibt. Viele Menschen in unserem Alltag haben weiterhin intellektuelle Einwände gegenüber den Aussagen des Evangeliums und den Lehren der Bibel. (Interessant finde ich, wie oft diese intellektuellen Einwände in Wirklichkeit von negativen Erfahrungen und Gefühlen aus der Vergangenheit geprägt sind – häufig im Zusammenhang mit der Kirche oder »Christen«.)

Außerdem gibt es zunehmend offene Ablehnung gegenüber der Kirche und dem Christentum, besonders wenn es um Lebensstilfragen und unterschiedliche Überzeugungen und Werte im Bereich von Gender- und Identitätsthemen geht. Das sind echte Herausforderungen, bei denen wir lernen müssen, mit Weisheit zu reagieren.

Begabte Leiter und Autoren haben bereits viel über diese bedeutenden Hürden geschrieben und gelehrt – und tun es weiterhin. Wir wollen von ihnen lernen, damit wir sowohl Gottes Wegen treu bleiben als auch wirksamer darin werden, mit unserer Kultur in Kontakt zu treten.

Aber nach zwanzig Jahren Arbeit mit Jugendlichen sind wir überzeugt, dass die Relevanz-Hürde heute eines der größten Hindernisse ist, das Menschen vom Glauben an Jesus abhält – und wir möchten eine Stimme sein, die auf diese Hürde aufmerksam macht.

Wirst du Teil unseres Gesprächs?

Wir möchten ein Gespräch anstoßen, das uns hilft, diese Relevanz-Hürde auf einer tieferen Ebene zu verstehen, und wir wollen einige der Ansätze teilen, die wir entwickelt haben, um ihr von Anfang an zu begegnen.

In vieler Hinsicht ist die Aufgabe, die vor uns liegt, dieselbe wie die eines Missionars, der sorgfältig die zugrundeliegenden Überzeugungen und Praktiken seiner Kultur beobachtet, um Wege zu finden, die Botschaft des Evangeliums hineinzutragen. Zum Glück sind wir nicht die Ersten, die diese Aufgabe übernehmen – viele Missionare vor uns, damals wie heute, haben diesen Weg bereits beschritten.

Als der Apostel Paulus in Athen auf Gelehrte und Philosophen traf, lebte er uns genau das auf beeindruckende Weise vor. Er bemerkte zunächst, dass diese Volksgruppe an viele Götter glaubte. Sie schätzten ihre Gottheiten so sehr, dass sie sich die Mühe machten, Bilder von ihnen in Stein zu meißeln und sie an prominenten Orten in der Stadt aufzustellen. Unter diesen Entdeckungen fand Paulus eine Statue »für einen unbekannten Gott«. Diese Entdeckung nutzte er als wirkungsvollen Ausgangspunkt, um in einen fortlaufenden Dialog über den wahren Gott, die Ewigkeit und Jesus einzusteigen. (Apostelgeschichte 17,16–34)

Wenn wir genauer hinschauen, sehen wir, dass Paulus damit begann, die Zuhörer zu loben, dann eine gemeinsame Grundlage fand, sich zunächst auf die Schöpfung und nicht auf die Erlösung durch Jesus konzentrierte und auf Hinweise verwies, die Gott im Kosmos platziert hatte, um Neugier zu wecken. Paulus nutzte außerdem die kulturellen Autoritäten der Athener – ihre Dichter –, um auf den lebendigen und wahren Gott hinzuweisen.

»Durch ihn allein leben und handeln wir, ja, ihm verdanken wir alles, was wir sind. So wie es einige eurer Dichter gesagt haben: ›Wir sind seine Kinder.‹«— Paulus, Apostelgeschichte 17,28, HFA

Wir können viel aus Paulus' Vorgehen mit dem nichtjüdischen Publikum in Athen lernen. Es muss jedoch gesagt werden, dass unsere Situation einzigartig erscheint – und unser Kontext sich vielleicht als noch herausfordernder erweist. Die Menschen in unserer Kultur scheinen keinerlei Überzeugungen mehr zu haben. Es ist, als hätten wir all unsere Götter in den Müll geworfen. Deshalb müssen wir, um unsere Kultur richtig zu »lesen«, jetzt durch die Trümmer aufgegebener Überzeugungen waten und den Staub gleichgültigen Atheismus' durchforsten, um einen eigenen Ausgangspunkt zu finden, von dem aus wir die Menschen auf den lebendigen Gott hinweisen können. Wir müssen auch bewusster die Hinweise erkennen, die in unserer eigenen Kultur und ihren anerkannten Autoritäten zu finden sind – und lernen, geduldig zuzulassen, dass sie, selbst wenn es tief vergraben ist, etwas Wahres über unsere geistliche Natur offenbaren.

Vielleicht erlebst du dieselbe Relevanz-Hürde, wenn du versuchst, das Evangelium zu teilen. Wenn ja – und wenn du besser verstehen möchtest, von welchem Ausgangspunkt die Menschen in unserer Kultur in Bezug auf Glauben überhaupt starten, und neue Ansätze kennenlernen willst, die ihre Gleichgültigkeit von Anfang an berücksichtigen, dann laden wir dich ein, mit uns auf den Weg zu gehen.

Gemeinsam wollen wir lernen, die zerbrochenen Stücke aufzuheben, den Staub abzuwischen und Neugier auf Gott zu wecken. Mach mit und beginne, etwas in Bewegung zu bringen.

Dieser Artikel wurde von Darin Stevens verfasst und zuerst veröffentlicht. Deutsche Version von Andy Fronius.

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