In Regierungsgesprächen und im öffentlichen Diskurs darüber, wie wir die Welt nach dem COVID-19-Lockdown in einen »neuen Normalzustand« bringen können, wurden ihre Interessen auffallend ausgeklammert. Immerhin – und meine Nachsicht hier ist von kleinstem Ausmaß – standen sie nicht im Fokus des öffentlichen Ärgers und Geringschätzung.

Von Kapuzenpulli-Monstern zu Heldinnen und Helden

Während vor einigen Jahren ­– vielleicht einem Jahrzehnt – Kapuzenpulli tragende Jugendliche noch als Gefährdung angesehen wurden, hat sich die mediale Berichterstattung über Jugendliche in den letzten Jahren wesentlich positiver entwickelt. Jugendliche Heldinnen und Helden wie Malala und Greta haben dazu beigetragen, die öffentliche Wahrnehmung von jungen Menschen auf das zu lenken, was ich und andere für richtig halten: als Hoffnungsträger für unsere Kultur und unsere Zukunft. Ja, sie werden Fehler machen; natürlich sind sie erst in einem Findungsprozess. Aber sie sind nicht die »schwarzen Schafe«, sie wurden nicht mit dem Wunsch geboren, älteren das Leben schwer zu machen. Mittlerweile neigen die Medien eher dazu, junge Menschen als Opfer der aktuellen Politik statt als messerschwingende Hoodie-Monster darzustellen. Ich mache mir allerdings Sorgen, dass sich das ändert. Die Medien legen nicht nur Meinungen fest – sie spiegeln sie auch wider, und es gibt Anzeichen, dass sich diese Meinungen gerade verändern.

Es ist zwar nicht sonderlich bequem, trotzdem habe ich es mir zur Gewohnheit gemacht, auf Social Media vielen zu folgen, die nicht meinen persönlichen Ansichten oder politischen Positionen entsprechen. Das ist für mich eine gute Möglichkeit dafür zu sorgen, dass ich nicht in einer schallisolierten Kammer steckenbleibe – und nur etwas von den Menschen mitbekomme, die »wie ich« sind und daher höchstwahrscheinlich meine Ansichten teilen – und, es ist empfehlenswert. Dadurch wurde mir bewusst, dass das Verhalten junger Menschen in der Gesellschaft zunehmend öffentlich missbilligt wird. Die Hauptaussage: Junge Menschen missachten die sozialen Abstandsregelungen, weil ihnen die Auswirkungen des Virus auf sie selbst egal sind, oder weil sie sich nicht um die älteren Menschen kümmern, auf die sie das Virus übertragen könnten.

»Mir ist gerade ein Haufen Jugendlicher begegnet: Sie haben zusammen getrunken, sich umarmt und sind in einer großen Gruppe abgehangen. Es kümmert sie nicht.« Sicherlich ist dir diese Denkweise bekannt.

Mal ganz ehrlich: Es ist nicht so, dass darin gar kein Körnchen Wahrheit stecken würde. Zweifelsohne gibt es junge Menschen, die die Regeln umgehen, absichtlich fehlinterpretieren oder geradezu ignorieren. Gelegentlich wirkt es so, als ob sie den Unterschied zwischen Metern und Zentimetern durcheinandergebracht hätten. Vermutlich wirst du bei einem Spaziergang durch den Park oder die Innenstadt tatsächlich eine Gruppe Jugendlicher sehen, die sich dort in einer regelwidrigen Weise aufhält. Und vielleicht ist es einigen von ihnen wirklich egal, ob sie sich anstecken oder das Virus weitergeben – obgleich natürlich diese Sorte Rücksichtslosigkeit nicht auf Teenager beschränkt ist.

Heißt das nun, dass alle Teenager achtlos tun, was ihnen gefällt und absichtliche Ignoranz ohne Rücksicht auf diejenigen praktizieren, die davon betroffen sein könnten? Natürlich nicht. Für die große Mehrheit der Jugendlichen wäre die Vorstellung schrecklich, möglicherweise jemanden aus einer Risikogruppe angesteckt zu haben. Sie kämpfen mit einer Mischung verwirrender Gefühle (zusätzlich zu dem bereits vorhandenen Teenie-Hormon-Cocktail), sind unsicher über die Zukunft ihrer Schulausbildung und einer Reihe anderer Dinge, die sie einst für selbstverständlich gehalten hatten. In einigen Fällen werden sie über längere Zeiträume von ihren wieder arbeitenden Eltern alleine zu Hause gelassen. Wenn überhaupt, dann gehören gerade Jugendliche zu den am meisten gefährdeten Gruppen, was die sozialen Langzeitauswirkungen von COVID-19 betrifft. Eine sichtbare Minderheit tut, was Jugendliche immer getan haben – riskantes Verhalten an den Tag zu legen – doch sind sie, genau wie die Rebellen unter ihnen, keine repräsentative Stichprobe, sie sind allerhöchstens unverstanden.

Deshalb denke ich, sollten wir uns ein paar Möglichkeiten überlegen, wie wir helfen und gegen eine Welle der Feindseligkeit gegenüber Jugendlichen einschreiten können.

1. Jugendlichen brauchen Fürsprecher

Und rate mal, wer das ist – wir! Wenn das Verhalten von Jugendlichen aus einer uninformierten Sichtweise heraus infrage gestellt wird, ist es unsere Aufgabe als Experten für Jugendliche, uns für sie einzusetzen. In einem von Erwachsenen bestimmten Diskurs haben junge Menschen sehr oft – sowohl auf lokaler als auch nationaler Ebene – keine Stimme; sie sind Gesprächsthema statt Gesprächspartner. Als Menschen, die sie, ihre Kultur und ihre Schwierigkeiten verstehen, müssen Jugendleiter für sie in die Bresche springen; dafür kämpfen, dass sie als Individuen verstanden und behandelt werden, statt faul pauschalisiert und stigmatisiert zu werden. Das kann schlicht ein wenig mehr Engagement in den sozialen Medien bedeuten, es kann jedoch auch etwas dynamischere Arbeit erfordern: beispielsweise einem Politiker oder einer Medienquelle zu schreiben, mit Gemeinde- und Stadträten vor Ort zu sprechen oder eine kirchliche Gemeinde als Unterstützung zu mobilisieren. Mehr noch – wir müssen Plattformen schaffen, auf denen Jugendliche ihre Stimme für sich selbst erheben können. Zum großen Teil war es das Auftreten junger Stimmen, das die vorherigen negativen Wahrnehmungen bezüglich Jugendlicher niederriss. Können wir, Einflussnehmer in unseren kirchlichen und lokalen Gemeinden, einen Raum schaffen, sodass ihre Stimmen gehört werden?

2. Jugendliche brauchen unsere physische Anwesenheit

Wie genau das im Moment aussieht, versuchen wir alle gerade herauszufinden. Aber während die emotionale Gesundheit junger Menschen angegriffen wird und ihre Zukunft zunehmend komplex und sogar düster aussieht, brauchen sie unbedingt freundliche, liebevolle und weise ältere Vorbilder, die diesen Weg gemeinsam mit ihnen gehen (mit zwei Metern Abstand, versteht sich). Und wenn sie sich selbst nicht online mit uns treffen (und ehrlich gesagt, das tun viele nicht), dann müssen wir uns vielleicht aus unserem Komfortbereich herausbewegen und zu ihnen hingehen. Möglicherweise müssen wir diese von festen Gruppen losgelöste Jugendarbeit in einem größeren Rahmen als jemals zuvor neu erfinden, wo wir sowohl mit jungen Menschen in Kontakt kommen, die vorher zu uns gekommen sind, als auch diejenigen erreichen, die unsere Türschwelle noch nie übertreten haben. Natürlich schafft dies eine Spannung für diejenigen von uns, die für Gemeinden arbeiten, die sich stark auf digitale Arbeit stützen. Aber lass uns über eins im Klaren sein: Egal, wie raffiniert die neuen Innovationen der Gemeinden sind, um das christliche Leben in dein Wohnzimmer zu beamen, dieser Ansatz wird viele zurücklassen. Auch, und vielleicht sogar besonders, Jugendliche.

3. Jugendliche müssen auf angemessene Weise konfrontiert werden

Ich schließe mit der weniger angenehmen Sache. Manche Jugendlichen müssen hören, dass ihr Verhalten zu Zeiten einer nationalen Krise nicht angemessen ist. Wenn sie die Richtlinien komplett missachten, gefährden sie sich und andere. Und das ist nicht okay. Es ist jedoch viel wahrscheinlicher, dass sie auf diese Konfrontation hören, wenn sie von jemandem kommt, von dem sie wissen, dass sie ihm oder ihr wirklich wichtig sind, statt von jemandem, der nur nach einem Sündenbock sucht oder etwas aufgestaute Wut ablassen will. Also ist es gut möglich, dass wir diejenigen sind, die die bittere Pille schlucken und diese Gespräche mit den Jugendlichen führen müssen, die wir kennen. In den meisten Fällen ist ihnen ihr Fehlverhalten nicht bewusst – sie haben einfach nur ihre Freunde vermisst.

Ich glaube nicht, dass ich jemals so viele Wörter in dem Wissen – und eigentlich sogar der Hoffnung – geschrieben habe, dass ich mich irren kann. Aber meine Arbeit mit Jugendlichen während dieser Welle mediengeführter Feindseligkeit hat mir den Schaden vor Augen geführt, der ihrem individuellen und kollektiven Selbstwert angetan werden kann und der Art, wie sie sich von der Welt um sie herum behandelt und sogar stigmatisiert fühlen, wenn die Zeitungen beschließen, dass sie das Problem sind. Möglicherweise brauchen Jugendliche uns jetzt mehr denn je, nicht nur als ihre Leiter und Pastoren, sondern auch als ihre Fürsprecher und Freunde.

Dieser Artikel wurde von Martin Saunders verfasst und zuerst von Youthscape veröffentlicht. Deutsche Version von Mirjam Mutschler.

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