Die Zahlen von depressiven jungen Menschen sind schockierend hoch. Warum?

Hermann: Die Gründe dafür sind vielfältig. Ich beobachte eine gewisse Orientierungslosigkeit, aufgrund der vielen Entscheidungen, die junge Menschen heutzutage treffen müssen. Außerdem fehlen oft gesunde Vorbilder, was die Identitätsfindung zusätzlich erschwert. Das sind alles Faktoren, die die psychische Gesundheit belasten. Nicht zuletzt hat natürlich die Corona-Pandemie in den letzten Jahren ihren Teil dazu beigetragen.

Generation Depression!? Foto Doğukan Şahin

Wie hat die Pandemie unser psychisches Wohlbefinden beeinflusst?

Helena: Probleme, die bereits vor der Pandemie vorhanden waren, werden durch diese verstärkt. Es ist aktuell schwierig, Freundschaften aufzubauen und zu pflegen, gleichzeitig Erwartungen im Studium oder dem Job zu erfüllen und dabei eine positive Sicht auf die Zukunft zu behalten.

Was ist der Unterschied zwischen »traurig sein« und einer Depression?

Helena: Trauer ist erstmal ein ganz normales Gefühl, genauso wie Wut oder Freude. Wenn man traurig ist, kann man das meistens auf ein Ereignis zurückführen, beispielsweise auf den Verlust einer geliebten Person. Melancholie hingegen ist etwas, das wir weniger leicht einordnen können. Es kann zum Beispiel durch tagelang schlechtes Wetter oder Hormonschwankungen ausgelöst werden, vergeht aber nach wenigen Tagen wieder.

Die schlechte Stimmung verändert sich hier über mindestens zwei Wochen nicht mehr, auch nicht bei Tätigkeiten, die einem normalerweise Freude bereiten. Foto unsplash+

Bei Depressionen müssen konkrete Kriterien erfüllt sein: Die schlechte Stimmung verändert sich hier über mindestens zwei Wochen nicht mehr, auch nicht bei Tätigkeiten, die einem normalerweise Freude bereiten. Hinzu kommen je nach Schweregrad noch andere Symptome, wie zum Beispiel Antriebslosigkeit, Schlafprobleme, Appetitminderung oder -steigerung, eine negative Zukunftsperspektive, Schuldgefühle und ein vermindertes Selbstwertgefühl.

Wenn ich über den Tod nachdenke, bin ich dann depressiv?

Hermann: Als junger Mensch denkt man viel über die Welt, sich selbst und schwierige Fragen des Lebens nach. Dazu gehört auch der Tod. Diese Gedanken hat aber fast jeder. Problematisch wird es, wenn der Gedanke an den Tod sich wie eine mögliche Lösung bei Problemen anfühlt. Wenn man regelmäßig über das Sterben nachsinnt und vielleicht sogar konkrete Pläne schmiedet, sich etwas anzutun, sollte man sich dringend Hilfe holen.

Lange Zeit waren Depressionen ein gesellschaftliches Tabu-Thema. Hat sich das geändert?

Hermann: Ich beobachte hier zwei Phänomene: Teilweise sind psychische Erkrankungen etwas, das nach wie vor ungern besprochen wird. Insbesondere Männer tun sich hier manchmal schwer, weil sie Angst haben, als weniger männlich angesehen zu werden. Mann-Sein bedeutet bei manchen leider noch, alles alleine zu schaffen und keine Emotionen zeigen zu dürfen. Die meisten jungen Menschen gehen mit psychischen Erkrankungen aber offener um. Gleichzeitig zeigt sich, dass der Begriff Depression aber auch verwässert wird, indem er unter anderem für Enttäuschung, Motivationslosigkeit und Traurigkeit herhalten muss.

Was sind die häufigsten Ursachen für Depressionen?

Helena: Bei der Entstehung einer Depression spielt einerseits die genetische Veranlagung eine Rolle, aber auch die Einflüsse der Umwelt: Also Situationen, die von außen auf uns treffen, wie bestimmte Lebensumstände, die wir bewältigen müssen. Dazu zählt auch die Familie, in der wir großgeworden sind. Entscheidend für die psychische Gesundheit ist auch, wie wir mit Umbrüchen im Leben umgehen, beispielsweise dem Auszug aus dem Elternhaus oder einem Jobwechsel. Schließlich ist auch die Orientierung in der Welt eine Herausforderung und hat einen großen Einfluss auf unser Wohlergehen.

Hier geht es darum, Antworten zu finden auf Fragen wie »Wo finde ich meinen Platz?« und »Bin ich wichtig?«.

Was kann man machen, um Depressionen vorzubeugen?

Helena: Bewegung, ein gesunder Tag-Nacht-Rhythmus, Tageslicht und eine ausgewogene Ernährung sind wichtige Grundlagen für die mentale Gesundheit. Am allerwichtigsten erachte ich aber gute Beziehungen, in denen man offen reden kann und wo man vor allem auch gemeinsame Erlebnisse teilt. Ansonsten sollte jeder individuell herausfinden, womit er sich selbst etwas Gutes tun kann. Manchen hilft es Tagebuch zu schreiben, andere musizieren gerne und können dabei ihre Emotionen ausdrücken und entspannen.

Hermann: Und gut tut einem nicht immer das, was einem Spaß macht, wie vielleicht fünf Stunden lang am Computer zu zocken.

Wohin kann man sich denn wenden, wenn man nur noch negativ aufs Leben blickt?

Helena: Der erste wichtige Schritt ist, sich eine Vertrauensperson zu suchen, denn Reden schafft Entlastung. Wenn es einem danach immer noch sehr schlecht geht, kann man sich auch an seinen Hausarzt wenden und diesem die Symptome schildern. Dort bekommt man dann eine Überweisung für eine Psychotherapie.

Ich vergleiche Psychotherapie oder Medikamente gerne mit einer Krücke, die man, wie bei einem Beinbruch braucht, um wieder allein gehen zu können. Foto unsplash+

Reicht es nicht, zu beten, wenn es einem schlecht geht?

Helena: Für uns Christen ist unsere Beziehung zu Gott natürlich sehr wichtig und deshalb ist es gut, auch im Gebet um Hilfe zu bitten. Es gibt aber Dinge, die trotz einer guten Gottesbeziehung als Belastung bleiben und bei denen wir professionelle Hilfe brauchen. Ich vergleiche Psychotherapie oder Medikamente gerne mit einer Krücke, die man, wie bei einem Beinbruch braucht, um wieder allein gehen zu können. Sie sind nichts Lebenslängliches, sondern sollen einem helfen, an sich arbeiten zu können, zu heilen und Strategien zu erlernen, um dann wieder ohne diese Hilfe durchs Leben gehen zu können. Das hat nichts damit zu tun, ob und wie sehr man glaubt.

Wenn mir an einem Freund oder einer Freundin depressive Symptome auffallen, wie spreche ich es an?

Hermann: Wir können immer einfach fragen, wie es der Person geht und schauen, ob sie von sich aus über etwas sprechen möchte. Wenn es die Beziehung zulässt, kann man natürlich auch äußern, was man beobachtet, zum Beispiel:

»Mir fällt auf, dass du dich in letzter Zeit sehr zurückziehst. Wie geht es dir denn? Ich mache mir Sorgen um dich.«

Was wollt ihr den Leserinnen und Lesern zum Abschluss mitgeben?

Helena: Ein Auf und Ab der Stimmung ist ein ganz normales Phänomen. Ist es mehr als das und du bist von einer Depression betroffen, gibt es gute Infos und geeignete professionelle Hilfe. Wir Menschen sind, egal wie schlecht es uns geht, immer handlungsfähig. Es gibt immer einen Schritt, den wir gehen können und wenn es nur eine Nachricht an einen Freund ist. Du bist es wert, gut für dich und deine seelische Gesundheit zu sorgen. Außerdem will ich, dass du weißt: Kein Gefühl hält ewig an. Auch depressive Episoden gehen vorbei.

Interview: Clara Hinteregger

Wo kriege ich Hilfe?

Dienstleistung Deutschland Österreich Schweiz
Telefonseelsorge 0800-1110111 142 143
Ersttermin für Therapien 116117 0720-120012 0848-800858
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Es ist nur eine Randbemerkung im Gespräch. Doch jetzt sind alle Warnsignale an und mir ist klar: Ich muss das Thema jetzt unter vier Augen ansprechen. Aber wie? Und wann? Und was, wenn ich mit meiner Analyse daneben liege?

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